Institut für Bildsame Formgebung
Die Arbeitsfelder und Forschungsthemen des Institutes gliedern sich entlang der Prozessketten der Umformtechnik und der Querschnittsmethoden für Materialprüfung, Modellierung und Simulation.
Forschungsschwerpunkte
Walzen und Richten
Die Schwerpunkte des Institutes bei der Herstellung von Flachprodukten durch Walzen liegen einerseits in der Optimierung der Walzparameter zur gezielten Einstellung der Werkstoffeigenschaften sowie andererseits in der Entwicklung neuer Walzprozesse für funktionsspezifische Halbzeuge. So können z.B. mit schnellen numerischen Simulationsmodellen Stichpläne ausgelegt und die Entwicklung der Mikrostruktur entlang der Prozesskette vorhergesagt werden. Andererseits ermöglichen Bänder mit variabler Dicke über die Breite (Tailor Rolled Strips) Fortschritte beim Leichtbau und das Walzen funktionaler Ribletoberflächen („Haifischhaut“) kann zu wesentlichen Einsparungen beim Kerosinverbrauch von Flugzeugen führen. Untersuchungen zur Tribologie des Walzens und zum Einsatz von Schmierstoffen zielen auf ökonomische und ökologische Verbesserungen. Weitere Forschungsgebiete in diesem Bereich sind beispielsweise das Richten von gekrümmten Bändern und die Prozessentwicklung der Herstellung von schmalen Bändern auf einer Präzisions-Walzanlage.
Bandgießen
Das Bandgießen ist ein relativ neuer Prozess, bei dem direkt aus der Schmelze ein dünnes Warmband erzeugt wird. Dies ermöglicht erhebliche Einsparungen von Energie und Investitionen im Vergleich zur konventionellen Prozesskette aus Stranggießen und Warmwalzen. Außerdem führt die rasche Erstarrung zu ausgezeichneten Mikrogefügen. Mit einer vollautomatisierten Versuchsanlage werden am Institut in enger Zusammenarbeit mit der Industrie die Prozesstechnik weiterentwickelt und die Möglichkeiten zur Verarbeitung neuer Werkstoffe untersuchen.
Schmieden und Ringwalzen
Beim Schmieden liegt ein Schwerpunkt der Arbeiten des Instituts beim Freiformschmieden, das zur Produktion von Bauteilen mit sehr großen Abmessungen verwendet wird. Das Freiformschmiedezentrum mit seiner 6,3 MN – Presse und einem modernen Schwerlastroboter als Manipulator ermöglicht die Entwicklung neuer Umformstrategien. In Verbindung mit numerischer Prozesssimulation und Werkstoffmodellierung erfolgt darüber hinaus die Entwicklung von Modellen zur Optimierung des Prozesses oder die Entwicklung von Schmiedestrategien für komplexe Geometrien, wie z.B. Hohlwellen für Windkraftanlagen. Beim Gesenkschmieden stehen u.a. Fragen der Schmierstoffauswahl und der Modellierung der Ausbildung der Mikrostruktur im Fokus der Arbeiten.
Beim Ringwalzen untersucht das Institut mit einer Ringwalzanlage, die die Herstellung nahtloser Ringe bis etwa zwei Meter Durchmesser ermöglicht, neue Prozessführungen zur flexiblen Herstellung radial und axial profilierter Ringe. Bei der numerischen Simulation dieser anspruchsvollen Prozesse muss das Verhalten der gesamten Maschine einschließlich ihrer internen Regelungsalgorithmen in der Simulation abgebildet werden.
Blechumformung
Sowohl für die Luft- & Raumfahrt als auch für die Automobilindustrie sind Blechumformverfahren von entscheidender Bedeutung. Neben Untersuchungen zum klassischen Tiefziehen arbeitet das Institut insbesondere im Bereich moderner Spezialverfahren. So fertigt heute ein Spin off Unternehmen (KSA GmbH) in Aachen Großbauteile für die ARIANE Rakete durch Kugelstrahlumformen. Mit inkrementeller Blechumformung, bei der ein einfaches CNC-gesteuertes Umformwerkzeug komplexe Geometrien schrittweise erzeugt, könnte zukünftig die bestehende Technologielücke zur effizienten Herstellung von Blechbauteilen in kleinen Stückzahlen geschlossen werden. Hier verfügt das Institut über eine bislang einzigartige Versuchsanlage, die die Kombination mit Streckziehen für Bauteile bis etwa 1m x 1m Größe ermöglicht. Für die Charakterisierung von Blechbauteilen, zur Digitalisierung und zur Formänderungsanalyse werden moderne optische Messverfahren (ATOS, TRITOP, ARGUS und ARAMIS) genutzt.
Prozesssimulation und Werkstoffmodellierung
Die Simulation und Modellierung von Umformprozessen und Prozessketten erfordert Kenntnisse der Simulationsmethoden, der Umformprozesse, des Werkstoffverhaltens und der Randbedingungen.
So erfolgt die Prozesssimulation mit verschiedenen in Wissenschaft und Industrie eingeführten Finite Elemente Programmen auf hohem Niveau unter enger Nutzung der Erfahrungen aus den experimentellen Arbeiten. Die Weiterentwicklung numerischer Methoden umfasst u.a. Optimierungsstrategien, skalenübergreifende Simulation und die Einbindung des Maschinenverhaltens in die Simulation.
Im Hinblick auf eine fortschrittliche Werkstoffmodellierung verfügt das Institut über ein modernes Materialprüflabor, z.B. zur Ermittlung von isothermen Kalt- und Warmfließkurven bei konstanter Umformgeschwindigkeit im Parameterbereich von T = 20 - 1250°C und dφ/dt = 10-4 – 500 s-1. Daneben ermöglichen die Einrichtungen die Bestimmung der Kinetiken von Rekristallisation, Erholung und Kornwachstum sowie der Randbedingungen (Reibung, Wärmeübergang, Strahlung) und die physikalische Simulation mehrstufiger Prozesse. Diese experimentellen Möglichkeiten bilden die Basis für die Entwicklung und FEM-Implementierung leistungsfähiger Modelle zur Simulation der Gefügeentwicklung während und nach der Warmumformung auf der Basis phänomenologischer und metallphysikalischer Ansätze.